Entwicklung Brot & Salz
PROJEKT BROT & SALZ | FIGUREN | Projekte
Nachdem der Projektantrag unter dem Arbeitstitel „Nordmenschen“ vom Fond Darstellende Künste bewilligt war, informierte Jana Sonnenberg die fredak-Mitglieder und organisierte eine erste Zoom-Konferenz für die Auftakt-Staffel.
Fragen, Bedenken und vor allem viele spannende Ideen flogen durchs Netz, nur gebremst von der unzulänglichen Technik, die in manchen Teilen unseres Bundeslandes immer noch keine stabile Internetverbindung garantiert. Wir beschlossen, uns so bald wie möglich persönlich zu treffen und machten unsere Vorschläge bis dahin schriftlich. Jede Bühne skizzierte ihre Figur, die geplante Szene aus deren Leben und das zugrundeliegende Inszenierungsinteresse.
16. bis 19. Februar 2023 – 1. gemeinsamer Probenblock im Kornhaus Bad Doberan
Mit der Übernachtungsmöglichkeit im Gästehaus, einem Aufenthaltsraum, dem Theatersaal und einem separaten Proberaum standen uns wunderbare Voraussetzungen zur Verfügung. Im Stundentakt arbeitete Jana Sonnenberg mit den einzelnen Bühnen vor allem an Aussagen und Spielmöglichkeiten der entsprechenden Figuren. In der Zwischenzeit bis zur nächsten intensiven Probeneinheit hatte man Muße, teils allein, teils im Austausch mit den anderen daran weiterzutüfteln. Nach den gemeinsamen Essen wurden die täglichen Ergebnisse den Kolleg*innen in der Gruppe vorgestellt, was u. a. dazu beitrug, sich selbst Klarheit zu verschaffen. Daraus entwickelten sich Diskussionen, die durchweg konstruktiv ausfielen. Und wie es so ist in einem Flächenland, in dem man sich nur selten trifft, wurde mancher Abend lang.
Wanderregie
Mit mehr oder weniger konkretem Rüstzeug führten die einzelnen Ensemblemitglieder nun selbstständig fort, was in Bad Doberan in die Wege geleitet wurde. Das konnte weitere Recherche sein, Ausarbeitung des Szenenablaufs, Entscheidungen für Material und Requisiten bis hin zu Spiel- und Textvorschlägen.
Jana Sonnenberg reiste jeweils einen Tag lang zu den einzelnen Bühnen, die sich im ganzen Bundesland verteilen. In diesen Stunden wurden die Szenen verdichtet, manches verworfen und manches neu entwickelt. Spannendes Material ist entstanden, worauf nun weiter aufgebaut werden kann.
29. März bis 02. April 2023 – 2. gemeinsamer Probenblock im Kornhaus Bad Doberan
Wie immer bei Gemeinschaftsprojekten ist es eine große Herausforderung, den passenden Termin für alle zu finden, besonders wenn es sich um eine Einheit von mehreren Tagen handelt. So mussten wir diesmal ein wenig „umschichtig“ vorgehen, aber das kennen wir bereits von den Gruppeninszenierungen „Sagenhaft“ und „Meerliebe“.
Bei diesem Probenblock war zum ersten Mal auch Martin Schneider als Co-Regisseur anwesend und konnte die Kurzinszenierungen mit unverbrauchtem Blick beurteilen und erweitern.
In einem „Showing“ wurde der momentane Entwicklungsstand der verschiedenen Szenen allen Beteiligten vorgestellt.
Vom Schwank über besondere Erzählformen bis zur performativen Kunstinstallation ist alles dabei.
Während das Regieteam in mehreren Runden von Einzelproben daran weiterarbeitete, feilten die anderen inzwischen zum Teil allein, zum Teil im Austausch mit Kolleg*innen an ihrem Kurzstück.
Es waren sehr intensive Tage (und Abende) voller Inspiration mit rauchenden Köpfen, sinnlichem Entdecken, Wege suchen und über Lösungen stolpern – gepaart mit entspanntem Gelächter und zufriedener Erschöpfung.
Impressionen (Fotos: Maren Winter / Jana Sonnenberg)
Jana Sonnenberg und Co-Regisseur Martin Schneider treffen sich in den folgenden Wochen mit einzelnen Ensemble-Mitgliedern, um sich mit speziellen Inhalten genauer auseinanderzusetzen, die eventuell eine Erweiterung des ursprünglichen Konzepts verlangen. Die anderen Spieler*innen runden ihre jeweiligen Szenen selbstständig sowohl theatralisch als auch gestalterisch ab.
14. – 15. Juni 2023 – 3. gemeinsamer Probenblock in Wolgast
und zwar in den Wohnungen eines teilweise leergezogenen Neubaublocks, der renoviert und umgebaut werden soll.
Genau hier wird am 21. und 22. September 2023 die Premiere stattfinden.
Die „Theater-Stockwerke“ befinden sich in der 5. und 6. Etage; einen Fahrstuhl gibt es nicht.
Im Angesicht des hohen Wohnkomplexes haderte manch einer mit seinem Bühnenbild und fragte sich, ob es nicht klüger gewesen wäre, auf eine minimalistische Inszenierung zu setzen.
Aufbauten, Requisiten, Stühle, Tische, Kostüme, Technik … alles musste über die Treppen nach oben geschleppt werden. Aber wir sind tatsächlich ein Team und wer wenig zu tragen hatte, packte bei den anderen mit an.
Die beiden verbliebenen Wohnparteien im Haus, eine Frau mit zwei Hunden und ein älteres Ehepaar, mussten in diesen Tagen wohl einiges an ungewohntem Lärm ertragen.
Auf Nachfrage hatte die Frau Interesse geäußert, bei den Proben zuzusehen, es passte nur nicht mit ihren Arbeitszeiten. Das Ehepaar konnten wir leider nicht kontaktieren.
Spannend, die Szenen in verlassenen Zimmern aufzubauen, in denen vor einiger Zeit noch gelebt wurde. Jetzt war es hier stickig, staubig und hallig. „Lost Places“ sozusagen – abgelöste Bodenbeläge und Verkleidungen, verblichene Tapeten, beige oder rosa gestrichene Wände, seltsame Aufkleber mit schwarzen Klebekanten und Geisterabdrücke von Bildern. Die Atmosphäre der ehemaligen Bewohner war noch spürbar, wurde aber bereits von unpersönlicher Leere überdeckt.
Doch seltsam, nachdem wir mit unserem Zeug „eingezogen“ waren, die Fenster aufgerissen und leidlich gefegt hatten, wurden die Räume ein wenig zu unseren.
Der erste Tag war vollständig damit ausgefüllt, uns einzurichten und die Szenen anzuproben. Hier und da musste durch die neuen Räumlichkeiten umgestellt werden und uns wurde klar, was noch fehlte.
Jana Sonnenberg und Martin Schneider hatten bereits im Vorfeld alles organisiert, was möglich war, standen bei jeder Frage und jedem aufkommenden Problem tatkräftig zur Verfügung und behielten das „Große Ganze“ im Blick.
So hatte Jana nicht nur einen Tisch beim Griechen auf der Terrasse am Wasser reserviert, sondern auch für einen sonnigen Sommerabend gesorgt, sowie die Unterkunft für alle im außergewöhnlichen Postel gebucht. Es fühlte sich an, wie Urlaub mit Freunden.
Tatendurstig trudelten die Kolleg*innen am nächsten Morgen beim Wohnkomplex ein. Der Haustürschlüssel glitt ins Schloss – und ließ sich nicht drehen – beim besten Willen nicht.
Während Jana fieberhaft mit der Hausverwaltung telefonierte, erschien eine Bewohnerin auf dem Balkon, erfasste unsere Lage und ließ uns hinein. Nun hatten wir den ganzen Vormittag zum Proben, um uns an die neuen Bedingungen anzupassen. Als Regisseurin war Jana abwechselnd dabei zugegen.
Das regionale Fernsehen hatte sich für den Nachmittag angesagt und wurde, wie auch Co-Regisseur Martin Schneider, in das gegenseitige „Showing“ einbezogen. Anschließend haben wir die Szenen gemeinsam besprochen. Eindrücke und Vorschläge von Kolleg*innen kamen ebenso zu Wort, wie Hinweise der Regie, was sich inhaltlich oft deckte. Mit diesem Rüstzeug gehen wir nun in die letzte Arbeitsrunde bis zur Premiere und bringen die einzelnen Kurzstücke zur Aufführungsreife.
Beim Hinuntertragen winkte uns das ältere Ehepaar aus dem Haus sehr freundlich durchs Fenster zu. Ein bisschen ist die Berührungsscheu wohl schon gewichen und wir hoffen, die beiden zur Premiere zu sehen.
Impressionen (Fotos: Maren Winter / Jana Sonnenberg)
Das Drumherum zur Premiere, wie Einladungen, eventuell Grillfest vor dem Haus für Bewohner aus dem Viertel und Besucher, Banner in der Stadt, Genehmigungen, Versicherungen, Presse … und nicht zuletzt funktionierende Haustürschlüssel und die Betreuung der Kolleg*innen – für all das sorgt Jana Sonnenberg zusätzlich zur Regie, unterstützt von Martin Schneider. Ein Wahnsinnspensum, was bisher fantastisch geklappt hat. Hut ab!